VOB/A und VGV — ungleiche Geschwister
Mit der großen Vergaberechtsreform im Jahr 2016 war eine wesentliche Angleichung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Vergabe von Bauleistungen auf der einen und der Vergabe von Liefer und Dienstleistungen auf der anderen Seite festzustellen. Dies ungeachtet des Umstandes, dass mit einer vollständigen Integration der Regelungen der Bauvergabe in die Vergabeverordnung auf absehbare Zeit nicht zu rechnen ist. Die VOB/A wird den teilnehmenden Kreisen daher weiter erhalten bleiben. Dass die Regelung der Vergabe in zwei getrennten Verfahrensordnungen nicht zwingend erforderlich ist, zeigt bereits seit Jahrzehnten der europäische Normgeber. Die für klassische Aufträge maßgebliche Vergaberichtlinie 2014/24 enthält sowohl die Bestimmungen für die Bauvergabe als auch für die Vergabe von Liefer und Dienstleistungen. Ungeachtet dessen ist mit der Neufassung der VOB/AEU ein wesentlicher Gleichlauf der vergaberechtlichen Rahmenbedingungen erreicht worden. Umso überraschender und im Einzelfall schmerzhafter ist es, wenn dann doch bei einer bestimmten Konstellation Unterschiede auftreten.
Es zählt zu den gängigen Anforderungen in Ausschreibungsverfahren, dass zum Zwecke der Überprüfung von Referenzen die Bieter verpflichtet sind, entsprechende vom Auftraggeber ausgefertigte Referenzbescheinigungen mit Nennung des Auftrag gebers vorzulegen. Kommen sie dieser Verpflichtung nicht oder nicht fristgerecht nach, erfolgt ein Ausschluss des Angebotes. Mit Beschluss vom 7. November 2019 hat die Vergabekammer Nordbayern jedoch darauf aufmerksam gemacht, dass für die Vergabe von Lieferund Dienstleistungen der insofern ein schlägige § 46 Abs. 3 VGV ermöglicht, dass der Auftraggeber vorsieht, dass der Bieter geeignete Referenzen in Form einer Liste der in den letzten höchsten drei Jahren erbrachten Leistungen mit Angabe des Wertes sowie des Empfängers vorzulegen hat. Hingegen wird in der Norm nicht geregelt, dass der Auftraggeber berechtigt ist, eine Referenzbestätigung, die vom Erbringer der Leistung ausgestellt wurde, zu verlangen. Nahezu salomonisch hat die Vergabekammer Nordbayern insofern ausgeführt, dass der öffentliche Auftraggeber zwar die Vorlage entsprechender Referenzbescheinigungen ver langen kann, jedoch dies nicht mit der Androhung des Angebotsausschlusses verbinden darf. Legt mithin ein Bieter die Referenzbestätigung nicht vor, muss sich der öffentliche Auftraggeber auf andere Art und Weise Gewissheit über die Richtigkeit der Referenzangabe verschaffen. Anders hingegen § 6 a EU Nr. 3 lit. a VOB/A. Dort ist geregelt, dass der Auftraggeber die Vorlage einer Bescheinigung über die ordnungsgemäße Ausführung der Referenzleistung verlangen kann. § 58 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 ist hingegen offen formuliert. Die Regelung sieht vor, dass öffentliche Auftraggeber verlangen können, dass ausreichende Erfahrungen durch geeignete Referenzen aus früher ausgeführten Aufträgen nachgewiesen werden.
FAZIT
- Bei der Vergabe von Liefer und Dienstleistungen können die Bieter nicht unter Androhung des Ausschlusses ihre Angebote verpflichtet werden, vom Auftraggeber ausgefertigte oder bestätigte Referenzbescheinigung vorzulegen.