Grundsatzfrage geklärt: Berechtigung der Grundpreiserhebung durch bloße Inanspruchnahme der Vorhalteleistung der Wasserversorgung auch bei zivilrechtlicher Abrechnung
Aufgabenträger der Wasserversorgung dürfen aufatmen: auch wenn sie sich für eine zivilrechtliche Abrechnung ihrer Leistungen entschieden haben, steht einer Grundpreiserhebung bei bloßer Inanspruchnahme der Vorhalteleistung nun nichts mehr im Wege. Durch rechtskräftiges Berufungsurteil vom 10. März 2023, Az. 3 S 224/21, bestätigte das Landgericht Chemnitz die langjährig strittige Rechtsfrage, dass die Inanspruchnahme lediglich der sog. Vorhalteleistung einen zivilrechtlichen Vertragsschluss begründet und damit eine Rechtsgrundlage für die Grundpreiserhebung besteht.
Das Gericht bestätigt zunächst die durch die Vorinstanz noch abgelehnte strittige Vorfrage, dass bei einer leitungsgebundenen öffentlichen Einrichtung die Vorhalteleistung überhaupt in Anspruch genommen werden kann. Dies ist der Fall, solange ein Anschluss an das Leitungsnetz unterhalten wird. Nach ständiger Rechtsprechung ist dies anzunehmen, wenn Hausanschlussleitungen betriebsbereit sind, d.h. dass jederzeit auf Anfordern der Leistungsbezug sichergestellt werden kann. Eine bloße Sperrung des Anschlusses beeinflusst dabei die Betriebsbereitschaft ebensowenig wie der vorsorgliche Ausbau des Wasserzählers. Erst die Stilllegung, d.h. Trennung des Anschlusses mit ggf. dessen Rückbau beendet die Unterhaltung durch den Versorger.
Im zweiten Schritt bekräftigt das Landgericht, dass die Inanspruchnahme der Vorhalteleistung auch ohne jeglichen tatsächlichen Wasserbezug zur Begründung eines Rechtsverhältnisses, im streitigen Fall zum zivilrechtlichen Vertragsschluss, führt. Dies leitet das Gericht aus dem Gesetzeszweck des (hier sächsischen) Kommunalabgabengesetzes ab, wonach eine Grundgebühr der teilweisen Deckung der Kosten der Vorhalteleistung dient und zwar unabhängig von einem Wasserbezug selbst. Somit werde dadurch ein Rechtsverhältnis zum Anschlussnehmer begründet unabhängig davon, ob dieses Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ausgestaltet sei. Dies gelte somit auch ohne Wasserbezug und unabhängig von einer installierten Wasserzähleinrichtung.
Abschließend würdigt das Landgericht sodann das vom Ausgangsgericht ergänzend angeführte Argument, dass einer Inanspruchnahme jedenfalls § 242 BGB (Treu und Glauben) entgegenstehe. Es verneint dies unter Hinweis darauf, dass es der Disposition des Anschlussnehmers obliege, von der durch den Versorger eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen, den Anschluss zurückbauen zu lassen und somit die Entgeltverpflichtung zu beenden. Versorger dürfen dies - wie es der gängigen Praxis auch tatsächlich entspricht - von einem expliziten und eindeutigen Antrag des Anschlussnehmers abhängig machen. Solange dieser nicht gestellt wird, bestehe die Gefahr, unberechtigt in das Eigentum des Anschlussnehmers einzugreifen durch Entziehung der Möglichkeit einer wirtschaftlichen Nutzung.
Das Urteil ist als großer Erfolg für die aufgabenpflichtigen Wasserversorger zu werten. Angesichts der übergreifenden Wortwahl des Gerichts "leitungsgebundene Einrichtung" dürften die Rechtserwägungen auch über die Wasserversorgung hinausgehend anzuwenden sein, z.B. für die Bereiche Abwasser, Strom und Gas. Gesichert sind dadurch nun erhebliche Forderungen mit entsprechend positiver Wirkung auf die Kostenkalkulation der Versorger.
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