Regierungsentwurf zur virtuellen Hauptversammlung liegt vor

Am 27. April 2022 hat die Bundesregierung ihren Entwurf zur virtuellen Hauptversammlung auf der Homepage des Bundesministeriums der Justiz veröffentlicht. Damit soll die Sonderregelung des “COVID-19-Gesetzes”, die für die Zeit der COVID-Pandemie befristet u.a. auch virtuelle Hauptversammlungen in Aktiengesellschaften vorsah, in eine dauerhafte Lösung überführt werden. Zentrale Vorschrift ist § 118a AktGE, der die Möglichkeit eröffnen soll, durch Satzungsbestimmung auch Versammlungen "ohne physische Präsenz der Aktionäre" (so die Legaldefinition der "virtuellen Hauptversammlung") zu gestatten. Dabei müssen die wesentlichen Aktionärsrechte (Stimm-, Antrags-, Auskunfts-, Rede- und Widerspruchsrecht) gewahrt bleiben (§ 118a Abs. 1 S. 3 AktGE). Teilweise geht das mit einer - bereits in der Vergangenheit eingeleiteten - Vorverlagerung von Informations- und Entscheidungsprozessen einher, indem etwa der Vorstandsbericht bereits vorab veröffentlicht wird oder schon im Vorfeld Fragen zugelassen und beantwortet werden können. Da § 130a Abs. 5 AktGE auch das Rederecht in der Versammlung gewährleistet, muss insoweit eine Zwei-Wege-Direktverbindung hergestellt werden. Die Begründung hält dies für eine zwingende Voraussetzung für die Gleichwertigkeit der "virtuellen" mit der Präsenzversammlung. Die virtuelle Hauptversammlung soll für alle Beschlussgegenstände - also etwa auch für zuletzt in Fachkreisen diskutierte Umwandlungsbeschlüsse - zulässig sein, wobei die Satzung Einschränkungen vornehmen kann.

Die Gesetzesinitiative war schon vor der Veröffentlichung des Entwurfs Gegenstand kontroverser Diskussionen in der Fachliteratur, die nun anhand des konkret vorliegenden Entwurfs an Fahrt gewinnen wird. Den Befürwortern stehen insbesondere Kritiker gegenüber, die Zweifel an der Gleichwertigkeit einer virtuellen mit einer Präsenzveranstaltung anmelden, weil Teilnehmer durch die virtuelle Form gehemmt sein könnten, ihre Rechte frei auszuüben, weil nicht kontrolliert werden könne, wer letztlich auf der Teilnehmerseite am Endgerät sitzt oder mitwirkt und Fragen der Datensicherheit nicht gelöst seien.

In den Gesellschaftsverträgen und Satzungen anderer Gesellschaftsformen wird im Übrigen zu prüfen sein, ob es bei der häufig vorzufindenden pauschalen Zulassung von "virtuellen Versammlungen" verbleiben soll oder ob nicht besser näher ausgestaltet werden sollte, in welchen Fällen (etwa für welche Beschlussgegenstände) und in welchen Formen, insb. unter Verwendung welcher konkreten Mittel und ggf. unter Einräumung der Möglichkeit zur "Zwei-Wege-Kommunikation", die "virtuelle Versammlung" organisiert und abgehalten werden soll. Hier besteht in vielen Fällen Nachbesserungsbedarf.